Wer ist Lucky?

Tiere soll man nicht vermenschlichen, denn der vermenschlichte Blick wird ihnen nicht gerecht, er ist eine Kränkung für sie. Und doch gibt es Weggefährten unter den Tieren, deren Wesen unsere Seele seltsam berührt - als wollten sie uns daran erinnern, wie sehr der Mensch und sein Bruder Tier im großen Plan der Schöpfung aufeinander angewiesen sind!


Text von Literaturpreisträger Martin Kluger

So einer war der Mischlingshund Lucky, den meine Nichte Miriam eines Tages in Berlin aus dem Tierheim holte. Lucky war alles: intelligent, lieb, fröhlich, sozial, verspielt, lustig, verschmust. Wenn er einen anschaute, erwartete man jeden Moment, daß er anfangen würde zu sprechen. Doch Luckys tierische Ausdrucksmöglichkeiten waren beredter und aufrichtiger als unsere Sprache (die doch oft genug nur der Täuschung dient).

Alle Menschen, die ihn kennenlernen durften, hatten ihre ganz eigene Beziehung zu ihm. Für viele war er Freund, Seelentröster, Weggefährte, Spielkamerad, bester Kumpel. Er sprang sogar jedem Badenden hinterher, egal ob im See oder im Pool, nahm seine Hand sanft in die Schnauze und schwamm mit ihm zum Ufer zurück. Und nicht nur Menschen gegenüber war er mitgeschöpflich gesinnt, er liebte auch alle Tiere, egal welcher Art, kümmerte sich um Vögel, die aus dem Nest gefallen waren, leckte liebevoll Katzen ab und beschützte Hühner vor den Mardern. Geradewegs aus einem Paradies vor dem Sündenfall schien dieser fabelhafte Hund gekommen zu sein. Und in eine Art Paradies sollte er am Ende seines Erdendaseins auch zurückfinden.

Als meine Nichte Miriam und ihr Mann Buschi 2004 in die Dominikanische Republik nach Las Terrenas/Samana auswanderten, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen, begann für den damals zehn Jahre alten Lucky das letzte große Abenteuer. Kaum angekommen, schloß er auch dort viele Freundschaften mit Zwei- und Vierbeinern. Er verbrachte noch eine schöne, erfüllte Zeit, aber dann machte sein krankes Herz eines Tages nicht mehr mit – er starb in Miriams und Buschis Armen am Strand, wo er so gerne getobt hatte.

In seinem Gedenken wurde die Asociación Amigos de Lucky gegründet. Er war ein Straßenhund, dem geholfen wurde. Und die Asociación sieht ihre Hauptaufgabe darin, den Straßen- und Strandhunden zu helfen.

Schon als Kind hatte meine Nichte Miriam einen ausgeprägten Sinn für das mitgeschöpfliche Denken und Empfinden, das weit über die alterstypische Liebe zum “niedlichen Tier” hinausreichte. Ich ging viel mit ihr spazieren damals, und immer entdeckte dieses kleine Menschenwesen Dinge und Details in der Natur, an denen andere achtlos vorübergingen.

So, wie sie dann später im Tierheim den Mischlingshund Lucky sah und erwählte. Und dann fand sie in ihrem Mann Buschi den kongenialen, zupackenden Partner, der diese Gabe mit ihr teilt. Inzwischen existiert auf dem schönen Grundstück der beiden in Las Terrenas ein kleiner Zoo, in dem sie kranke oder gefährdete Tiere pflegen und hochpäppeln. Es sind der Respekt und die Demut vor der Schönheit und Würde der Natur, die Miriam und Buschi bewegen und für ihre nicht immer einfache Arbeit Kraft geben. Gemeinsam haben sie – gegen viele Widerstände und Rückschläge – mit der Asociación Amigos de Lucky eine beispiellose und nachhaltige Aktion auf die Beine gestellt, die Hunde von der Straße und aus schlechter Haltung rettet und damit – wie stets bei sinnvollem Naturschutz – auch die äußere und innere Lebensqualität der Menschen verbessert.

Tier- und Naturschutz ist nicht einfach und ist nicht sentimental; er ist eine Kraftquelle, mit der wir Menschen Fehler an Bruder Tier wiedergutmachen und gleichzeitig auch unsere überzivilisierten Seelen reparieren können. Das leben Miriam und Buschi vor – und darin wollen wir sie unterstützen.

Das würde Lucky gefallen.